Dienstag, 18. Dezember 2007

"K" wie Kambodscha oder krasse Kontraste...



Hört man von Kambodscha, so sind es meist die großen Jahrhunderte alten Tempel, die angepriesen werden. Dass jedoch in diesem kleinen so unscheinbaren Land noch vor 30 Jahren einer der größten Genozide unserer Weltgeschichte stattfand, scheint vergessen...

Als der Flieger am 13. Dezember endlich zum Start ansetzt (dieser Flughafen in Singapur ist einfach irre groß), habe ich bereits ausführlich die Geschichte Kambodschas, Architektur und Verhaltensregeln studiert - gern wollte ich das gerade erlangte Wissen mit der Singapurianerin neben mir teilen, doch leider hatte die arme Frau eine schwere Vergangenheit und so driftete das Gespräch ein wenig ab...Bei der Landung in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh tätschelte mich die Dame noch einmal freundlich und versprach für mich die nächsten Tage zu beten - auf dass mir nichts passiere in Kambodscha....das gibt Mut...

Die Beantragung des Visas ging fix von statten und eh ich mich versah, stand ich am Taxistand, dem Tor ins Ungewisse. An dieser Stelle muss die Geschichte von der Ich-Perspektive in die Wir-Perspektive umgestellt werden, denn gerade als ich mich gemütlich in die Ledersitze des Taxis fallen lassen wollte, sprach mich Paul an (ein Australier, den ich bereits im Flugzeug gesehen hatte, der eigenartige Früchte auf eine noch viel eigenartigere Weise aß und dessen Frisur mehr einem Unfall glich), ob wir uns das Taxi nicht teilen wollten. "Logisch!" Die Beschnupperung auf der Fahrt ergab, dass wir beide recht planlos waren, dass Paul von Freunden Chööny genannt würde (richtig: Tschuuni; falsch: Schöni; hehe), und dass wir nichts dagegen einzuwenden hätten, den ersten Abend direkt gemeinsam loszuziehen.

Und dann ging's los....

In den Städten Kambodschas gibt es folgende Arten der Fortbewegung:

Der Motoroller - jeder hat ihn, jeder benutzt ihn und jeder fährt wie eine kleine Wildsau durch die Straßen (man verzeih mir diese Wortwahl).

Der, die, das Tuk-Tuk - kein Witz, so wird es geschrieben und so wird es genannt. Egal wann man wo zu Fuß durch die Straßen läuft, kommen tausende und aber-tausende Tuk-Tuk-Fahrer auf einen zugerannt und fragen "Tuk-Tuk? You need ah Tuk-Tuk?"

Der Drahtesel - äußerst antike Fahrräder schlingen sich gekonnt, ohne einen aufmerksamen Blick nach vorn, nach hinten oder zur Seite durch den wirren Verkehr (scheinbar rechts) und setzen dem ganzen Trubel noch das Krönchen auf.

Und zu guter Letzt gibt es noch Autos (ich habe noch nie soviele Landrovers und Jeeps gesehen), Busse (ein Hupen von hinten heißt "Bring dich in Sicherheit, denn ich kann 120 fahren und bin größer als du") und das gute alte Schuhwerke (wobei vor allem die Mönche gern aufs von-gott-gegebene Schuhwerk "die Fußsohle" zurückgreifen)...



In der ersten Nacht brachte uns unser Tuk-Tuk-Fahrer direkt zu einem der angesagtesten Orte in der Hauptstadt...einer Karaokebar für ausschließlich Einheimische. Alle standen auf und verbeugten sich zur Begrüßung. Die Verständigung mit Händen und Füßen war mühsam jedoch fast erfolgreich. Das Essen lecker, das Bier reichlich und die Unterhaltung groß. Einer der Sänger setzte sich zu uns an den Tisch und bat uns von ihm vorgesungenge Lieder zu singen....leider waren weder seine Englisch- noch seine Gesangsfähigkeiten die besten, sodass wir so damit beschäftigt waren, seine vorgetrillerten Liedchen zu erraten, dass wir gar nicht merkten, wie der junge Mann sich über unser Essen hermachte...ihm sei es vergönnt...

Der nächste und erste richtige Tag in Phnom Penh sollte ein etwas anderer Ausflug in die jüngere Geschichte Kambodschas sein. Nach dem Völkermord unter Pol Pot und seinem Khmer Rouge Regime in 1979 versuchten die Vereinten Nationen das Land wieder aufzubauen, doch noch immer wurde Kambodscha von Guerilla-Kämpfen und Eklats geplagt. Erst 1998 zog Stille über das Land ein und Kambodscha wurde zu einem attraktiven Reiseziel in Südostasien...Doch Spuren einer so jungen Geschichte sind noch frisch, und auch wenn das noch bis in die 90er Jahre zu riechende tote Fleisch der Menschen in den Massengräbern der "Killing Fields" (Felder des Tötens) sich nicht mehr durch die dicke staubige Luft frisst, so werden doch die Beine zittrig und die Augen feucht, wenn man an einem Baum neben einem von hunderten dieser Gräber steht und erfährt, dass an diesem Baum die Kinder erschlagen wurden......Was einem Angst und Bange werden lässt, ist die nächste große Touristenattraktion - die "Shooting Ranches" (Schießhöfe). Hier kann man für $35 eine Maschinenpistole abfeuern. Wer dem ganzen noch eins draufsetzen will, der entscheidet sich für $200 direkt für eine Handgranate. Ein junger Australier, der unseren Weg streifte, entscheidete sich für jene, warf sie in einen umliegeneden Tümpel, und Chööny und ich wussten nicht wie uns geschah als ein dumpfer Knall sich durch die Erde schlich und der Boden unter unseren Füßen bedrohlich bebte....

Es war 12 - Mittagszeit und Chööny und ich glaubten längst genug gesehen zu haben, als uns unser Fahrer zum Gefängnismuseum S.21 brachte. Dies war einst eine Schule, doch heute prägen Galgen auf dem Schulhof und unzählige Photos der Opfer des Genozids ihr Antlitz. Geschichten von Hinterbliebenden sowie die leeren Augen der kindlichen Opfer ließen mich diesen Ort fluchtartig verlassen - so aktuell....so unbarmherzig, so nah...



Den Nachmittag und Abend verbrachten wir auf dem russischen Markt, in einer kaiserlichen Pagode und in der Innenstadt. Ziel war es einen herrlichen Sonnenuntergang zu genießen und einige Momente des Schocks zu verdauen...

* * *

Am nächsten Morgen, nach einem hervorragenden Frühstück, holte uns der Bus ab. Siem Reap war das Ziel - die Stadt der Tempel.

Wir fanden ein herrliches Gästehaus, sehr nette Besitzer und eine kleine und sehr andere kambodianische Stadt vor. Kein Vergleich zu Phnom Penh. Hier schliefen die Menschen nicht mitten auf der Straße und deckten ihre Kinder mit Moskitonetzen ab. Hier wurde nicht an jeder Straßenecke gebettelt und hier kam kein mulmiges Gefühl nach Sonnenuntergang auf...so anders.

Touristen wird empfohlen sehr früh aufzustehen, um zu den umliegenden Tempeln aufzubrechen. 4:45 Uhr in der Früh holte uns unser Tuk-Tuk-Fahrer (ein Freund von Mr. Lucky, unserem Tuk-Tuk-Fahrer in Phnom Penh) ab und brachte uns zum berühmtesten aller Tempel, Angkor Wat. Dieser enstand wohl im 9. Jahrhundert unserer Zeitgeschichte und dürfte einer der größten sein. Viel interessanter jedoch waren unseres Erachtens jene Tempel, welche im Kampf gegen den Dschungel allmählich den Halt verlieren. Ein unglaublicher Anblick waren meterdicke Wurzeln, die sich um die Tempelmauern schwungen und einem Urwaldriesen Halt gaben...doch lasset wirken, was kaum zu erklären ist...



Die anderen Tage verbrachten wir damit, auf Fahrrädern das Umland zu erkunden und die Bars und Essensstände auf den Straßen auszuprobieren - an dieser Stelle wundert sich, wer Franzi kennt, denn "Ausprobieren" in Bezug auf Essen war noch nie ihr Ding und das hat sich auch nicht geändert...Chööny war da ganz anders. Ob knusprige Kakerlaken am Straßenrand, blinder Fingerzeig auf Hyroglyphen der kambodianischen Speisekarte des Straßenstands (ich hatte allein auf meinem Löffel zwei Krabbeltiere) oder kleine gegrillte Vögel neben dem Markt, wo Fisch und Fleisch von Fliegen übersäht allmählich etwas ungesunde Farben und Gerüche annimmt.....der hat alles gegessen - und lebt noch.



Alles in Allem gibt es viel zu verarbeiten, doch Kambodscha hält noch eben soviel offen - möglicherweise muss ich die Geschichte also schließen mit: "Fortsetzung folgt" :)

Keine Kommentare: